Von Zweifeln, Klischees und dem richtigen Weg
Jede Beziehung hat nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile und man erlebt nicht nur Höhenflüge, sondern muss auch gemeinsam durch die Täler des Lebens schreiten. Wenn es aber so ist wie bei uns und man den Partner wichtiger nimmt als sich selbst, seine Ängste und Sorgen nicht abwinkt, sondern sich damit auseinandersetzt und versucht, ihn zu unterstützen, so gut man kann – was sollte einer dauerhaft glücklichen Beziehung dann im Weg stehen?
Entfernung, Zweifel und Klischees.
Das typische Klischee der Fernbeziehung werden wir bald nicht mehr erfüllen. Ich werde zu ihr ziehen, weil mich hier in Bremen nichts mehr hält und ein Neustart meines eigenen Lebens schon lange überfällig ist. Auch der große biologische Altersunterschied wird oftmals angesprochen.
Natürlich interessiert es mich, was die anderen sagen. Immer. Uns trennen immerhin achteinhalb Jahre; klar ist das nicht immer leicht, aber bei uns passt es. Wir haben die gleichen Interessen und Lebenseinstellungen, trachten nach den gleichen Werten und Zielen, haben beide ziemlich konkrete und passende Pläne unserer Zukunft – und trotzdem unterscheiden wir uns charakterlich. Während ich eher versuche, der Ruhepol zu sein, ist sie alleine dadurch, dass sie Halbperserin ist, ein wenig emotionaler und temperamentvoller als meine vergangegenen Freundinnen. Und so wie ich versuche, darüber hinwegzusehen, wenn sie mal lauter wird, versucht sie, mich zu nehmen, wie ich bin – auch wenn ich mal verletzend oder ausfallend werde, weil auch ich mich für einen kurzen Moment nicht unter Kontrolle habe.
Sicherlich verändert man sich mit der Zeit – und je jünger man ist, umso mehr. Und genau davor habe ich Angst. Angst davor, dass sie sich zu sehr verändert und ich dann nicht mehr in ihr Leben passe. Immer mal wieder habe ich sogar Angst davor, dass sie doch nur spielen will und mich in ihren Fingern hält wie eine Marionette, die jedem Wort von ihr gehorchen könnte und sich selbst verliert. Ich habe Angst, dass sie sich mir irgendwann verschließt und mich nicht mehr so sehr an sich ranlässt, wie sie es sollte. Ohne Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Offenheit kann eine Beziehung nicht funktionieren.
Meiner Meinung nach endet dieser ‚Reifeprozess‘ nie. Man verändert sich ständig. Ich kenne einige Traumpaare, die sich kennen lernten, als zumindest einer der beiden noch unter 18 war. Wenn man in einer Beziehung ist, gilt es, miteinander zu wachsen und nicht aneinander vorbeizureden – ungeachtet des Alters oder anderer Umstände.
Doch genau diese Klischees sind es, die immer wieder Zweifel wecken und Ängste schüren. Was, wenn es doch nicht klappt? Was, wenn alle Recht behalten würden? Ein zweischneidiges Schwert. Natürlich müsste ich dann zugeben, dass es nicht funktionierte. Auf der anderen Seite fühlt es sich ‚für den Moment‘ gut an, wieso soll ich es also nicht genießen? Und genau das ist es, was uns fehlt. Einfach mal im ‚hier und jetzt‘ leben und nicht an morgen denken. Die negativen Gedanken ausblenden und den Moment genießen.
Spätestens dann, wenn ich mit ihr telefoniere und wir zum dritten Mal in einer Minute genau das Gleiche denken oder sagen, weiß ich, dass da irgendetwas zwischen uns ist, das alles Bisherige in den Schatten stellt. Und ich bin mehr als nur bereit dafür, es zu verteidigen, so lange es in meiner Macht steht und ich dahinter stehe.
Natürlich habe ich Zweifel. An mir selbst, an ihr, an ihren Gefühlen, an der Beziehung im Allgemeinen. Daran, ob sie es so ernst meint, wie sie es sagt und schreibt; daran, ob das für sie wirklich die große Liebe ist, von der sie spricht; daran, ob wir auch in Zukunft so offen, ehrlich und aufrichtig sind und uns alles sagen, auch wenn es mal weh tut; daran, ob wir auch weiterhin den anderen wichtig nehmen, meistens sogar wichtiger als uns selbst; und mehr geben, als wir nehmen.
Wie könnte ich die Sache auch anders angehen, als zu Zweifeln? Wie könnte ich mir nicht wochenlang den Kopf darüber zerbrechen, ob es klappen könnte und trotzdem noch ruhigen Gewissens in den Spiegel schauen? Wenn es nur das Gefühl wäre und ich mir nicht sicher wäre, dass es von meiner Seite aus kein Zurück gibt und weder mein Kopf noch mein Herz dieses ‚Zurück‘ je wollen könnten, wie könnte ich dann einfach mal einen Umzug über 380 Kilometer planen? Kopf und Herz im Einklang – so soll es sein.
Die berüchtigte ‚rosarote Brille‘ habe ich schon lange vor meiner jetzigen Freundin abgelegt, nicht zuletzt dank einiger Ex-Freundinnen, die meinen Charakter geprägt haben. In einer Beziehung bleiben Meinungsverschiedenheiten und Streits nicht aus und sicher wird auch unser Glück irgendwann zu zerbrechen drohen. Wichtig ist es, dann zusammenzuhalten und gemeinsam zu kämpfen – für sich selbst, für den anderen, für das ‚wir‘, das es zu erhalten gllt, koste es, was es wolle.
Ich weiß ganz genau, was ich will. Es ist nicht die rosarote Brille, durch die ich all das sehe. Ich habe viel durchgemacht und ich weiß genau, was mir gut tut und was nicht. Und sie tut mir gut und ich hoffe, dass das so bleibt. Ich habe mich drastisch verändert, bin nun hundertprozentig ehrlich, aufrichtig und offen – auch, wenn ich sie dadurch verletze. Weil es der richtige Weg ist. Weil es unser Weg ist.
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